Von 3M und dem Deutschen Roten Kreuz über die Lufthansa und die New Yorker U-Bahn bis zu Panasonic und Toyota: Helvetica ist als Corporate Font allgegenwärtig. Und damit wohl auch jene Schrift, die global am häufigsten auf Visitenkarten gedruckt wird. Und so oft man den Klassiker auch sieht – irgendwie bleibt er immer modern und attraktiv. Wer die Helvetica als Corporate Font einsetzen will, sollte sich aber genau ansehen, woher er den Font bezieht. Die Lizenzkosten für einen einzigen Schnitt – z. B. Helvetica Roman –, der auf 100 Rechnern installiert wird, reichen von 0 bis 344 Euro.

 

Vorweg: Dieser Artikel ist kein Plädoyer fürs Sparen bei Schriftlizenzen. Fonts, die vom Grafiker aus guten Gründen für ein bestimmtes Corporate Design gewählt wurden, sollten weder aus Kostengründen durch schlechte Alternativen ersetzt werden, und über Raubkopien diskutieren wir hier erst gar nicht. Aber es gibt eben doch Fälle, in denen völlig legal und ohne Qualitätseinbußen viel Geld gespart werden kann – vor allem dann, wenn hunderte oder gar tausende Arbeitsplätze auszustatten sind und ohnehin ein Klassiker zum Einsatz kommt.

Helvetica zum Nulltarif

Die originale Helvetica (also nicht die Neue Helvetica) ist so ein Fall: Ihre Basisschnitte Roman, Bold, Italic und BoldItalic sind heute zum Nulltarif verfügbar. Genauer gesagt: Sie sind seit 2009 vom Schriftenhaus URW++ für die unbeschränkte Verwendung unter der sogenannten GUST Font License freigegeben – so wie übrigens die meisten der 35 PostScript-Fonts, die im altehrwürdigen LaserWriter Plus von Apple vorhanden waren (Avant Garde, Bookman, Courier, New Century Schoolbook, Palatino,  Times und Zapf Chancery). Die freien Fonts sind in ihren Buchstabenumrissen und Laufweiten ident mit den Originalen. Der Zeichensatz wurde sogar noch um viele Sonderzeichen erweitert, um möglichst viele Sprachen abzudecken. Nur die Namen sind etwas gewöhnungsbedürftig: So nennt sich die freie Helvetica-Version „Tex Gyre Heros“, die entsprechende Times-Variante „Tex Gyre Termes“ usw. Zum Download in verschiedenen Formaten – unter anderem OTF – steht die Tex Gyre Kollektion hier bereit.

 

Helvetica-Heros-Nimbus

 

Die Einsparungen sind natürlich umso größer, je mehr PCs zu bestücken sind: Bei Fontshop kostet z. B. die Lizenz für einen einzigen Helvetica-Schnitt (z. B. Helvetica Roman) für 100 Rechner EUR 344,–. Braucht man auch Bold, Italic und BoldItalic, liegt man schon bei deutlich über EUR 1.000,–. Für ein Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern kein Vermögen, aber warum ausgeben, wenn man nicht muss?

Vielfalt und Qualität zum besseren Preis

Nicht mehr gratis lassen sich die Firmen-PCs mit Helvetica behübschen, wenn mehr als die vier Basisschnitte gefragt sind – also z. B. Black und Light. Doch auch für die erweiterte Helvetica-Familie sowie die heute weit verbreitete Neue Helvetica gibt es unterschiedliche Quellen – und unterschiedliche Preise. Die 100er-Lizenz für die Neue Helvetica Neue Light kostet bei Fontshop wieder EUR 344,– , bei URW++ gibt es das optisch gleiche Pendant – unter dem Namen Nimbus Sans Novus Light – um EUR 232,–.

Auch ein Blick in die USA kann sich lohnen – je nach Wechselkurs mehr oder weniger: Bei Paratype, einem seriösen kalifornischen Schriftenhändler, ist die Original Linotype Helvetica Light Pro für 100 User um USD (!) 344,– zu haben. Genügt Ihnen die Standard-Version mit westeuropäischem Zeichensatz, die bei Fontshop ebenfalls EUR 344,– kostet, können Sie diese bei Paratype um USD 267,– kaufen.

Die Sache mit der Arial 

Doch muss es wirklich genau die Helvetica sein? Es gibt ja schließlich auch eine ganze Reihe sehr ähnlicher Fonts. Der bekannteste Nachbau ist wohl die Arial, die standardmäßig mit Windows und Mac OS geliefert wird, sehr viele Sprachen abdeckt und die gleiche Laufweite wie die Helvetica hat. Deshalb erlauben viele Firmen, die eigentlich die Helvetica als Hausschrift verwenden, den Einsatz der Arial als Alternative – etwa für die Korrespondenz. Gestandene Typografen rümpfen hier indigniert die Nase, denn die Arial gilt in Fachkreisen als eher plumpe Nachahmung der Helvetica. Im Vergleich mit dem Original sieht man tatsächlich deutliche Unterschiede:

 

Helvetica-Arial

 

Vom Laien werden die Details zwar nicht bewusst wahrgenommen, und das Gezeter über die ach so hässliche Arial wird auch oft übertrieben. Vieles ist einfach Geschmackssache. Eines ist aber unbestritten: Das oft praktizierte Mischen von Helvetica und Arial wirkt unprofessionell. Wenn schon Arial, dann überall – auch im Logo. Und genau davor schrecken dann doch die meisten Grafiker zurück …

 

Freie Alternative 

Wer sich von den Original-Formen der Helvetica verabschieden kann, aber dennoch einen zeitlose und kostenlose Sans-Serif-Font einsetzen will, hat zum Glück noch bessere Alternativen: Liberation Sans zum Beispiel, die für Linux entwickelte Schrift, die metrisch ebenfalls gleich läuft wie die Helvetica, aber eleganter daherkommt als die Arial. Sie kann z. B. bei Fontsquirrel, einer guten Quelle für kostenlose Schriften, heruntergeladen werden.

 

LiberationSans

 

Die neuen Klassiker

Noch einen Schritt weiter weg von der Helvetica geht man mit der Entscheidung für einen der „neuen Klassiker“ aus der Google-Bibliothek. Hier bieten sich z. B. Roboto, Open Sans und Source Sans Pro an. Sie alle weichen sowohl bei den Buchstabenformen als auch bei der Laufweite klar von der Helvetica ab, sind aber handwerklich saubere, moderne und doch nicht zu modische Alternativen, die uns wohl lange begleiten werden und bei einem Redesign des Corporate Designs ins Auge gefasst werden sollten.

 

Roboto-OpenSans-SourceProSans

Und noch ein Neuzugang

Die Faszination der Helvetica bleibt auch in den 2020er-Jahren ungebrochen – und daher kommen auch immer wieder neue Fonts auf den Markt, die sich diesen Klassiker ganz offensichtlich zum Vorbild genommen haben. Eines der jüngeren und besten Beispiele dafür ist die Aspekta, die es in 19 (!) Stärken (50, extrem leicht bis 1000, extrem fett) gibt. Sie ähnelt in ihrer Laufweite eher der Helvetica Neue und überzeugt mit kleinen Details (z. b. dem kleinen “l”, das die Lesbarkeit verbessert). Der Zeichensatz ist sehr gut ausgebaut und daher für alle europäischen Sprachen (ausgenommen jene mit kyrillischem Zeichensatz) geeignet. Leider gibt es derzeit noch keine kursive Variante. Aspekta ist kostenlos bei Github erhältlich.